Besuch aus der Zukunft

Silber Salz Festival, Kaufhaus, 1. OG, Marktplatz, Halle, 2. November, 14.15-15.30

Niemand kann die Zukunft voraussagen und doch beschäftigt sie uns. Aber obwohl sie uns beschäftigt und auch unser Verhältnis zur Gegenwart beeinflusst, sind wir nicht besonders gut darin, uns die Zukunft vorzustellen. Um diesem Missstand abzuhelfen, haben wir einen Besuch aus der Zukunft organisiert. Damit bietet sich eine einmalige Gelegenheit, aus erster Hand etwas über unsere Zukunft zu erfahren und gemeinsam zu fragen, welche Zukunft wir eigentlich wollen. Die Veranstaltung ist hervorgegangen aus dem Projekt „Imaginationen der Zukunft“, eine Kooperation der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Stadt Halle, gefördert vom Stifterverband der deutschen Wissenschaft. Robert Buch vom Landesforschungsschwerpunkt Aufklärung, Religion, Wissen an der MLU im Gespräch mit Simon Mohn, Reinventing Society / Realutopien.de

Transformation in den Kulturwissenschaften. Bestandsaufnahme und Perspektiven

Workshop¸Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 7. und 8. November 2024, Ort: Dozentenbibliothek Zivilrecht, Thomasianum Raum 15

Organisiert von Stephan Pabst und Daniel Weidner im Rahmen des Transformationslabors „Imagination der Zukunft“, eine Kooperation des Forschungsschwerpunkts „Aufklärung, Religion, Wissen“ und der Stadt Halle, gefördert vom Stifterverband der deutschen Wissenschaft.

Transformationen sind immer auch kulturelle Prozesse. Denn nicht nur technische, wirtschaftliche, gesellschaftliche oder ökologische Verhältnisse verändern sich heute grundlegend, sondern auch die Art, wie wir die Welt sehen und beschreiben und wie wir die Veränderung selbst vorstellen und erleben. Gerade wo Transformation nicht einfach als vorhersehbare Optimierung, planbare Anpassung oder als geschichtlich notwendige Veränderung gedacht wird, sondern als tiefgreifender Prozess mit offenem Ausgang, sind diese kulturellen Elemente besonders wichtig und müssen beständig reflektiert werden. Die Geistes- und Kulturwissenschaften als Spezialisten für Bilder, Erzählungen und Deutungen können daher entscheidend dazu beitragen, Transformationsprozesse zu verstehen, im öffentlichen Gespräch zu verankern. Die Tagung reflektiert dieses Potential und diskutiert damit auch, wie Perspektiven aus den Kultur- und Geisteswissenschaften stärker als bisher zur Profillinie „Transformation“ der Universität und Perspektivisch auch zum „Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ beitragen können.

Ob Institutionen, in komplexen ökologischen Systemen oder in gesellschaftlichen Zusammenhängen – Transformationen wirken nur breit und nachhaltig, wenn sie von einem kulturellen Wandel begleitet werden. Denn es geht stets nicht nur um die Optimierung komplexer Prozesse in großen Zusammenhängen, sondern auch um die Veränderungen von Handlungsweisen und Bewertungen, nicht zuletzt auch um die Ziele, die mit den jeweiligen Transformationen gesetzt sind. Denn solche Veränderungen produzieren Affekte, Wünsche, Hoffnungen oder Enttäuschungen, die einen enormen Einfluss auf deren (politische) Gestaltung haben: Ob Transformationen gelingen, hängt auch davon ab, wie sie dargestellt und wahrgenommen werden.

Radikaler gedacht, ist Kultur nicht nur ein Element der Transformation, sondern sie ist – transkulturell–selbst immer ein Transformationsprozess: In ihrer kulturellen Produktion, in Erzählungen, Bildern, Ritualen setzt sich die Gesellschaft immer schon mit Veränderungen auseinander, wenngleich diese Veränderungen gesellschaftlich oft unter anderen Begriffen verhandelt wurden, dem des Fortschritts, der Revolution, der Evolution oder der Wende. Dementsprechend haben sich Geistes- und Kulturwissenschaften immer schon mit diesem Wandel beschäftigt, sei es, dass sie als historische Kulturwissenschaften ohnehin die Entwicklungs- und Veränderungsprozesse der Vergangenheit untersuchen, sei es, dass sie die Resonanzen aktueller Transformationen in Texten und Praktiken der Gegenwartskultur befragen, in denen – so die zu diskutierende Hypothese – solche Veränderungen in besonderer Weise signifikant werden.

In beiden Fällen verbindet sich das auch mit der Frage, wie solche Prozesse überhaupt – von Akteuren, Beobachtern, der Wissenschaft selbst – vorgestellt werden: als Bruch oder Kontinuität, als Erneuerung, Verschiebung, Revolution, ‚Wende‘ etc. Dazu gehört auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Begriff ‚Transformation‘ selbst, der von Polanyi seinen Ausgang nahm und Geltung zunächst spezifisch für das späte 19. und 20. Jahrhundert beanspruchte. Seine Renaissance in Deutschland war stark an den Prozess des Systemwechsels in den vormals sozialistischen Staaten geknüpft, also an die Abgrenzung von anderen Begriffen – der Wende, der friedlichen Revolution, während er in den vergangenen Jahren stärker auf technische, ökologische oder ökonomische Veränderungsprozesse angewandt wurde.

Die Veranstaltung will über die Rolle der Kulturwissenschaften für die Erforschung der Transformation insbesondere in Bezug auf folgende Fragen diskutieren:
• Wie werden kulturwissenschaftlich Prozesse der Transformation beschreiben und was leistet das für die Profillinie der Universität?
• Wie wird über Transformation gedacht und gesprochen, wie lässt sich eine Kultur der Transformation denken und praktizieren?
• Wie verhält sich die Rede von der Transformation zu anderen Vorstellungen von Wandel, Entwicklung, Wende und welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?
• Wie ist mit der politischen Dimension des Transformationsbegriffs und dessen spezifischer Geschichte seit 1989 umzugehen?
• Welche Forschungsfelder kultureller Transformation sind an der MLU besonders ausgeprägt und wie lassen die sich vernetzen?

Programm

Donnerstag 7. November 2024

14-15:30 (Dozentenbibliothek Zivilrecht, Thomasianum Raum 15)

  1. Paulina Gulińska-Jurgiel: Selbstentmachtung oder Selbstermächtigung? Tranformationsparlamente im Vergleich
  2. Stephan Pabst: Kotransformationen. Der ‚Osten‘ in Transformationserzählungen der Bundesrepublik
  3. Till Kössler: Ein Erfolgsmodell? Spaniens Übergang zur Demokratie nach 1975

16-17:30 (Dozentenbibliothek Zivilrecht)

  1. Franziska Heller:  „So stellt sich KI Sachsen-Anhalt vor…“ Digitale Bildtransformationen und die Funktionalisierung des Imaginären
  2. Daniel Cyranka: „Hinduism was Theosophy in practice (Gandhi)“. Esoterikforschung und Globale Religionsgeschichte
  3. Erik Redling: „Or does it explode?“ Zeitgenössische afroamerikanische Dramen im Zeitalter von Black Lives Matter

18:15 (Hörsaal II, Emil Abderhaldenstr. 28) Podiumsdiskussion:
Kulturwissenschaftliche Transformationsforschung
Ina Dietzsch, Raj Kollmorgen, Daniel Weidner, Moderation Christine Fürst

Freitag, 8. November, 9:00-10:30 (Dozentenbibliothek Zivilrecht)

  1. Katrin Berndt „Failures of Futures Past“. Fortschrittserzählungen und ihre Leerstellen in der britischen Gegenwartskultur
  2. Friedemann Stengel: Humanismus. Transformationen, Kritik, Perspektiven
  3. Daniel Fulda: Wie viel und welche Zukunft können wir uns vorstellen? Social Imagining als Thema der Kulturwissenschaften

11:00-12:30 (Dozentenbibliothek Zivilrecht)

  1. Andreas Pecar: Revolution ohne Transformation? Die Englische Revolution im Spiegel der Forschung
  2. Daniel Weidner: „Sag mir, wer Du bist“. Transmigrationsgeschichten in der deutschen Gegenwartsliteratur
  3. Theo Jung: Zeitgeist. Ein Transformationsbegriff zwischen Gegenwartsdiagnose und Gespensterglaube

Veranstaltung „Künstliche Intelligenz und das Ende des Menschen?“

Podiumsdiskussion mit Mille Dalsgaard, Dirk Evers, Manuela Lenzen und Janina Loh
Neues Theater, Halle, 18. Januar 2024, 19:30 Uhr

Die aktuelle Debatte über Künstliche Intelligenz bewegt sich zwischen Euphorie und apokalyptischen Sorgen. Bedeutet K.I. die Befreiung des Menschen von allen lästigen Arbeiten oder aber den Beginn einer Herrschaft seelenloser Maschinen und ein Ende des Menschen? Wie ändert sich unsere Sicht auf den Menschen, wenn sich lernende Algorithmen an seine Seite stellen, die mindestens so informiert, klug, kreativ, ja intelligent zu sein scheinen, wie wir? Die Podiumsdiskussion bringt verschiedene Stimmen aus Kultur und Wissenschaft miteinander ins Gespräch, um eine schärfere Sicht auf eine neue Ko-Existenz von Mensch und Maschine zu entfalten.

Die Veranstaltung wird durchgeführt als Kooperation zwischen dem Landesforschungsschwerpunkt Aufklärung – Religion – Wissen, der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt und dem Neuen Theater Halle. Sie findet statt im Rahmen des Förderprogramms Transformationslabor Hochschule des Stifterverbands der deutschen Wissenschaft e.V. und ist Teil einer Reihe von Veranstaltungen zum Thema „Imaginationen der Zukunft“, die die Stadt Halle und der Landesforschungsschwerpunkt gemeinsam organisieren.

Vortragsreihe, WS 2023/24: Licht auf die Worte. Philologien der Aufklärung aus internationaler Perspektive

Die Erzählung von der großen Errungenschaft der ›modernen Philologie‹ hat eine reiche Tradition im deutschsprachigen Raum. Ihre Kontinuität seit der Spätaufklärung bis heute verdankt sich letztlich der relativ stabilen Gestaltung der intellektuellen Öffentlichkeit und der Bildungspolitik in deutschsprachigen Gebieten. Doch wie wird die ›moderne Philologie‹ in der internationalen Rezeption wahrgenommen? Und überhaupt: Worauf referierte und referiert der Begriff ›moderne Philologie‹ in anderen Sprachräumen?

VORTRAGSREIHE DES IZEA im Wintersemester 2023/24 in Kooperation mit dem DFG-Projekt „Genealogie der Philologie“

Programm

Robert Buch

Dr. Robert Buch ist seit 2021 Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Davor hatte er Positionen in Chicago, Pittsburgh und Sydney inne. Zu seinen besonderen Forschungsinteressen zählen das Nachleben der Religion in der Literatur der Moderne sowie Fragen von Säkularisierung. Gemeinsam mit Prof. Dr. Daniel Weidner organisiert er seit 2021 das Nachwuchsforschungsforum Literatur und Religion. Seit Mai 2023 fungiert er als Koordinator des Forschungsschwerpunkts Aufklärung – Religion – Wissen.

Theo Jung

Theo Jung ist seit 2022 Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der MLU Halle-Wittenberg. Im Zentrum seiner Forschung steht die vergleichende Politik- und Kulturgeschichte Westeuropas vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert, mit besonderen Schwerpunkten auf politischen Kommunikationsprozessen und gesellschaftlichen Reflexionsdiskursen. Als Beiratsmitglied der Bundesstiftung „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“ engagiert er sich auch im Bereich der historischen Bildungsarbeit für einen kritisch-reflexiven Umgang mit der deutschen und europäischen Politikgeschichte.

Literatur im Widerstreit. Öffentlichkeit und literarische Intervention, damals und heute

Ein Gespräch mit Jürgen Brokoff, Freie Universität Berlin, Literaturhaus Halle, 25. Oktober 2023, 19 Uhr

Provokation und öffentliche Intervention zählten lange Zeit zu den genuinen Möglichkeiten der Literatur, von Charles Baudelaire bis Emile Zola, von Heinrich Böll zu Elfriede Jelinek. Wie steht es heute damit? Inwiefern ist Provokation weiterhin ein Mittel der Literatur? Inwiefern empfangen öffentliche Debatten ihre Anstöße auch heute noch durch literarische Werke? Wie viele öffentliche Interventionen oder Provokationen gab es in den letzten Jahren von Seiten der Autoren und Autorinnen der Gegenwart?

Anhand zweier prominenter Fälle – dem deutsch-deutschen Literaturstreit um Christa Wolfs Erzählung „Was bleibt“ und der Debatte um Botho Strauß’ Essay „Anschwellender Bocksgesang“ – untersucht der Literaturwissenschaftler Jürgen Brokoff die Infragestellung der Autorität literarischer Autorschaft und den Wandel der literarischen Öffentlichkeit. Im Gespräch mit Studierenden und Lehrenden der MLU stellt der Autor die Thesen seines Buchs Literaturstreit und Bocksgesang (Wallstein 2021) im Literaturhaus Halle vor und reflektiert auf das Verhältnis von Literatur und Öffentlichkeit unter den gewandelten medialen Bedingungen unserer Gegenwart. Diese haben den Raum öffentlicher Debatten zwar signifikant geöffnet und erweitert, die darin geführten Auseinandersetzungen aber zugleich radikal verschärft.

Jürgen Brokoff: Studium der Germanistik und Geschichte in Münster und Bonn. Seit 2014 Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin. Gastprofessuren in Irvine, Yale, Cornell. Zahlreiche Publikationen, darunter Geschichte der reinen Poesie. Von der Weimarer Klassik bis zur historischen Avantgarde sowie Engagement. Konzepte von Gegenwart und Gegenwartsliteratur (hg. zusammen mit Ursula Geitner und Kerstin Stüssel). Seit 2022 Sprecher des SFB 1512 „Intervenierende Künste“.

Élisabeth Décultot

Prof. Dr. Élisabeth Décultot ist seit 2015 Professorin für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der MLU Halle-Wittenberg, Lehrstul für Neuzeitliche Schriftkultur und europäischer Wissenstransfer, und leitet seit 2020 das Interdisziplinäre Zentrum für die Erforschung der europäischen Aufklärung (IZEA) dieser Universität. Ihr wurde 2015 eine Alexander-von-Humboldt-Professur verliehen. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Literatur des 18.-19. Jahrhunderts sowie in der Geschichte der gelehrten Praktiken der frühen Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der europäischen Wissenstransfers. Publiziert hat sie insbesondere zu Johann Joachim Winckelmann und zur Entstehung der Kunstgeschichtsschreibung, zum Kunstdiskurs der Aufklärung und des Klassizismus sowie zu Johann Georg Sulzer, deren „Gesammelte Schriften“ sie herausgibt. Sie ist Ko-Leiterin des DFG-Verbundprojekts „Portal ‚Der deutsche Brief im 18. Jahrhundert‘“, des BMBF-Verbundprojekts „Exzerpte. Zur digitalen Erschließung und Edition einer besonderen Text-Bild-Konstellation am Beispiel Johann Joachim Winckelmanns“ und des Langzeit-Projektes der Union der Akademien an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften „Antiquitatum Thesaurus. Antiken in den europäischen Bildquellen des 17. und 18. Jahrhunderts“.

Ottfried Fraisse

Ottfried Fraisse ist seit 2019 Professor für Judaistik / Jüdische Studien am Orientalischen Institut der MLU Halle-Wittenberg und hat diesen Lehrstuhl seit 2016 vertreten. Zu seinen Forschungsgebieten gehört die mittelalterliche Aufklärung, insbesondere die jüdisch-arabische Poesie und Wissenschaft im mittelalterlichen al-Andalus, und die europäische Aufklärung der Moderne im Spiegel der Islamforschung der Wissenschaft des Judentums wie auch die jüdische Aufklärungsbewegung im modernen Nahen und Mittleren Osten („jüdische Nahda“). Ein besonderer Akzent liegt dabei auf dem Verhältnis zwischen lokalen Aufklärungsdynamiken und dem Verhältnis zu Europa. Er leitet das BMBF-Projekt „Jenseits von Konflikt und Koexistenz – Verflechtung jüdisch-arabischer Wissenskulturen“. Seit 2020 ist er Mitglied im Direktorium des IZEA und des IZP.