Struktur

„Aufklärung – Religion – Wissen“ (ARW) ist der zentrale geistes- und kulturwissenschaftliche Forschungsschwerpunkt an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seine Forschungsarbeiten werden insbesondere von den Interdisziplinären Wissenschaftlichen Zentren der Universität getragen:

Als thematisch gleichermaßen konzentriertes wie weitreichendes Forschungsnetzwerk strebt ARW die Kooperation sowohl mit KollegInnen der Martin-Luther-Universität als auch mit deutschen und ausländischen Universitäten sowie außeruniversitären wissenschaftlichen Einrichtungen an

Verantwortlich für die inhaltliche und strukturelle Konzeption von ARW sind die Direktorien der beiden Zentren. Sie wählen gemeinsam einen Sprecher, der die Geschäfte des Forschungsschwerpunktes führt, seit Dezember 2022 ist das Prof. Dr. Daniel Weidner. Er wird von einem unabhängigen Wissenschaftlichen Beirat, bestehend aus 5 Mitgliedern, beraten.

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Geschichte

Der Landesforschungsschwerpunkt ist im Rahmen der Exzellenzinitiative des Landes Sachsen-Anhalt entstanden. Er hat seine Arbeit am 1. Oktober 2006 aufgenommen und bildet eines der geisteswissenschaftlichen Netzwerke an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Neben zahlreichen Tagungen und Veröffentlichung wurden im Rahmen des Forschungsschwerpunktes auch ein Graduiertenkolleg „Aufklärung – Religion – Wissen“ (2006-2012) und eine Graduiertenschule „Verbindlichkeit von Normen der Vergesellscshaftung“ (2018-2020) gefördert.

Die Universität zu Halle war seit ihrer Gründung im Jahr 1694 fast ein halbes Jahrhundert lang der fruchtbarste wissenschaftliche Sprössling des Taufjahrhunderts der Aufklärung. Gleichzeitig war sie während dieser Zeitspanne der Ort, an dem sich in Gestalt des Pietismus die wichtigste theologische und religiöse Erneuerungsbewegung innerhalb des kontinentalen Protestantismus konzentrierte. In der Arbeit des Landesforschungsschwerpunktes „Aufklärung – Religion – Wissen“ begegnet die gegenwärtige hallesche Universität daher nicht nur ihrer eigenen Geschichte. Sie erinnert auch an ihre Anteile an einer Aufklärung des öffentlichen Rechtsbewusstseins (Christian Wolff, Christian Thomasius), an einer rationalen Kultivierung des praktischen religiösen (August Hermann Francke) wie des ästhetischen Bewusstseins (Alexander Gottlieb Baumgarten, Georg Friedrich Meier) und an der Auseinandersetzung um die entscheidende Frage der Verträglichkeit von Aufklärung und Religion (Wolff, Francke, Joachim Lange).

Diese europaweit geführten, jedoch wesentlich aus Halle initiierten und geprägten Diskurse des 18. Jahrhunderts zu Aufklärung, Religion und Wissen sowie ihre Beziehungen untereinander werden in den Forschungsprojekten des Landesforschungsschwerpunktes aus der Perspektive und den Problemstellungen des 21. Jahrhunderts analysiert.

„ … der hat auch Religion“ Konfession – Literatur – Kulturelle Differenz im langen 19. Jahrhundert

Tagung, 18.-19.4. 2024
Organisiert von Friedemann Stengel und Daniel Weidner

Die neuere deutsche Literaturwissenschaft ist in weiten Teilen überraschend konfessionsblind. Während für die Erforschung der Literatur der Frühen Neuzeit die „Konfessionalisierung“ ein wichtiges, wenn nicht das dominante Paradigma ist und in der benachbarten Geschichtswissenschaft die These vom 19. Jahrhundert als einem „zweiten konfessionellen Zeitalter“ für lebhafte Diskussionen gesorgt hat, fristet die Konfession in der Erforschung deutschsprachigen Literatur nach der Aufklärung eher ein Schattendasein. Neben anderen Gründen könnte das, so unsere Vermutung, auch an einem Theoriedefizit der Forschung liegen, die ‚Konfession‘ allenfalls mehr oder weniger verschämt als Kriterium der Sortierung von AutorInnen verwendet bzw. in Einzelstudien deren konfessionelle ‚Prägung‘ untersucht. Ziel des Workshops ist es vor allem, ein anderes Verständnis von Konfession zu erproben und zu diskutieren: Konfession funktioniert im 19. Jahrhundert als kulturelle Differenz, die nicht nur kirchlichen Zusammenhängen, sondern auch und gerade in den Texten der Literatur verhandelt wird.

In Kooperation mit dem Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung und der Abteilung für Komparatistik der MLU Halle-Wittenberg

Ort: Franckesche Stiftungen, Haus 52, Neubauer-Saal.

Programm

Donnerstag 18.4.
13:30-16:00

Friedemann Stengel, Daniel Weidner:
Einführung

Martina Wagner-Egelhaaf (Münster)
(Von) Kirchen erzählen. Zu Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Ute Gause (Bochum)
Ein Blatt auf Vroni’s Grab. Reformierte Frömmigkeit in Johanna Spyris Erzählungen

Kaffeepause

16:30-18:30

Nicolas Detering (Bern)
Fabiola und die Folgen: Katakombenroman und konfessionelle Subjektivierung

Claudia Kampmann (Bonn)
Konfessionelle Differenz in der bürgerlichen Frauenbewegung. Eine Fallstudie mit besonderer Berücksichtigung der konfessionellen Frauenverbände

Freitag 19.4.
9-11

Wiebke Windorf (Halle)
Religiöse deutsche Plastik um 1800: Sakralisierung, Säkularisierung und Differenzierungsstrategien eines vernachlässigten Genres

Thomas Pittrof (Eichstätt)
Konfessionalisierung, Entkonfessionalisierung, Rekonfessionalisierung? Musikalisierung des Religiösen außerhalb des Kirchenraums im 19. Jh.

Kaffepause

11:30-13:30

Andrea Polaschegg (Bonn)
Die konfessionelle Nullstelle. Protestantische Literatur(wissenschaft) als deutscher Normalfall

Yvonne Al-Taie (Kiel)
Der Heilige Franziskus im Bordell. Katholische Interpretamente vulnerabler Lebensvollzüge bei Emmy Hennings.

Mittagsimbiss